Horst-Tipps für die Überarbeitung

Bild: Freepik AI

Mit Haut und Haaren, Hirn und Horst stecke ich in meiner Überarbeitung meines Kinderromans »Projekt Klingel«. Eigentlich dachte ich, es gebe nicht mehr sooo viel zu tun.
Dank der Unterstützung einer wunderbaren Lektorin, steht sogar das Exposé. Denn eines ist sicher: Exposés und ich werden keine Freunde mehr werden. Ist das Baby jetzt kurz genug? Ich weiß es nicht. Nach 27 Kürzungsrunden habe ich beschlossen, es jetzt so zu lassen (erstmal) und mich auf die Überarbeitung zu stürzen. Sich mit der Zusammenfassung und dem Pitch für die Geschichte auseinandergesetzt zu haben, ist hierfür die beste Voraussetzung. Jetzt weiß ich immerhin, worum es geht.
»Die Lesenden wissen nicht, dass das ein Scherz war, Anne.«
»Quatsch Horst. JEDER erkennt das als Scherz. Ich hab das Buch geschrieben, ich sollte wissen, worum es geht!«
Horst wiegt seinen Kopf. »Sei dir nicht so sicher. Lass Ironie lieber weg aus dem Blog, verstehen viele ja nicht. Nä?!«
»Ich behaupte, diejenigen, die sich hierher verirrt haben, können mit Zynismus umgehen.«
»Beschwere dich hinterher nicht, ich hätte es dir nicht gesagt.«
»Kann ich weitermachen? Oder hast du weitere sachdienliche Hinweise für mich?«

Er winkt generös mit seiner Pfote.
»Danke.«
»Bitte.«
Na, also geht doch. Wo war ich?
Ach ja. Am Schreibtisch. Denn da sitze ich und habe mein Buch von ganz vorne gestartet. Und dann … beginne ich einfach nochmal. Und nochmal. Und … Du ahnst es!

»Lüg nicht!«

»Hä? Ich hab nicht gelogen«
»Hä steht auf dem Markt und verkauft Äppel. Das heißt WIE BITTE!«
»Aber du behauptest, ich würde Lügen. Ich lüge aber nicht! Außerdem heißt es Ey steht auf dem Markt ….« Mit einer Pfote wischt er meinen Einwand lässig weg.
»Doch. Du sagtest, ‘Du sitzt am Schreibtisch’. Dabei hast du nicht mal einen. Entweder sitzt du am Esstisch oder … am anderen Esstisch. Ha! Lüge!“

Innerlich wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Dachte doch glatt, Horst würde mich jetzt mitten im Blogschreiben vor den Lesenden mit irgendeiner Fiesigkeit outen … – Glück gehabt!

»Na und? Wo ich arbeite ist doch wurscht, oder?«
»Ich finde im Esszimmer schreibst Du besser als in der Küche.«
»Aber ich schreibe ja gar nicht, Horst, ich ÜBERARBEITE.«
»Du tippst Buchstaben.«
»Ja und?«
»Das ist schreiben.«
»Danke für deinen Hinweis.«
»Bitte.«
Wie soll man bei diesen Diskussionen bitte NICHT mit den Augen rollen?
Ich versuche, mich nicht ablenken zu lassen und überarbeite weiter. Zum vierten Mal das zweite Kapitel. Das erste hat bereits die gleiche Aufmerksamkeit genossen. Mindestens. Es läuft mehr als zäh. Und dabei ist die Ausgangsposition luxuriös. Ich sag nur: Fertiges Manuskript!

Horst tippt auf den blinkenden Cursor meines Bildschirms. Ich hasse es!
»Da warst Du schon.«, brummt er.
»Ich WEISS, Horst.« Meine Stimme klingt schärfer als eine Klinge aus Obsidian.
»Na, dann mach mal vorwärts und nicht rückwärts. So wirst Du nie fertig!«
»Vielen Dank für die Info. Aber NEIN danke!«
»Wie?«
»Halt endlich mal den Rand, Horst. Du hilfst mir mit deiner ständigen Nörgelei nicht.«
»Was’n bitte dein Problem?«
»Wieso muss es gleich ein Problem sein?«
»Na, ohne Problem wärste längst fertig. DU trittst auf die Bremse. Ich nicht. Oder willst du nicht fertig werden?» Er rümpft die Schnauze, hebt die Monobraue. Mehr als einmal.
»Merkste selber, nä?«

»Njjjein.«
Horst grunzt neckisch, soll wohl ein Lachen sein. Und ich bin muksch. Echt. So richtig kleinkindmuksch. Tief in mir drin verschränke ich meine Arme und ziehe einen Flunsch. Was fällt dem ein? Soll ER zur Abwechslung doch mal schreiben. Ts!

»Naaaa? Biste muksch?«
»Hm.«
»Weil ich recht hab, nä?«
»Hm.»
»Hör‘ doch zur Abwechslung mal auf mich.«
»Nö.«
»Dann willst Du weiter zwei Schritte vor und drei zurück gehen?«
»Hm.«
»Büdde!«

Horst wendet sich ab und konzentriert sich auf sein Wimmelbuch. Hunderte Schweine und ein versteckter Hund versammelt auf einer Doppelseite. SUCH DEN HUND! steht in großen Lettern darüber. Horst hat definitiv zu viel Tagesfreizeit.

Ich springe über meinen inneren Schweinehund.

(Jaha, jetzt wird’s meta) und räuspere mich lautstark. Horsts Monobraue schießt bis an seine Ohrmuscheln.
»HäpHäm. Was schlägst Du vor … Horst?« Es fällt mir schwer, ihn um Hilfe zu bitten.
»Ach, jetzt bin ich doch gut genug, oder was?«
»Horst!« Ich funkele ihn an. Jetzt übertreibt er. »Sei! Nicht! Ätzend!«
»Okay, okay. Hier mein Tipp für dich, liebe Anne, Autorin, die du sein willst: Höre auf, Haare zu spalten.«
»Hä? Haare? Wie kommst Du jetzt darauf?«
»Na, Du siehst nicht das große Ganze sondern popelst an einzelnen Phrasen rum. Immer und Immer wieder. Das ist doch langweilig! Ich frage mich, warum du nicht mit dem Kopf auf der Tastatur einschläfst.«
»Hm.« Ich nicke. Er fährt fort.
»Geh‘ einfach einen Schritt zurück und …«
»Ich denk‘ ich soll vorwärts kommen?« Gut, das konnte ich mir nicht verkneifen, da wir bereits über’s Haarespalten sprachen. Horst rollt mit seinen Schweineäuglein. Ich gebe auf. Ohne Widerspruch meinerseits, da ist er nicht verwöhnt.
»Schon gut. Ich höre.«
Er wartet drei Sekunden ab, nickt gönnerhaft.

»Wie wäre es, wenn du dir ein Kapitel komplett vorliest und nur dort stoppst, wo du einen Absatz stinkerattenblöd findest.»
»Hä? Genau das mache ich doch!«

»Nö. Du liest zwei Absätze und dann korrigierst Du den ganzen Absatz wieder und wieder. Und dann nochmal. STUNDENLANG. Du entscheidest Dich nicht. Verfasse höchstens drei Versionen einer Alternative und dann: ENTSCHEIDE DICH!“

Gedankenschwanger dröhnt mein Schweigen. Dieser mistverdammte Schweineköter hat einen Punkt. Darum geht’s also wirklich. Um Entscheidungen. Ich hingegen verliere mich im Spinnennetz fein gewebter Sätze und Formulierungen und verwickle mich immer mehr in klitzekleinen Details, bis ich verloren und hilflos wimmere. Saublöd. Ich schnaube geräuschvoll aus.

»…nke.«
»Was?«
»DANKE!«
»Na bitte: Geht doch!« 

Innerhalb weniger Stunden beende ich das zweite Kapitel. Und bin happy mit dem Ergebnis. Die Auseinandersetzung mit Horst hat sich gelohnt.

Den Arschtritt hab ich gebraucht.

Nach getaner Arbeit klopft er mir auf die Schulter und klimpert mich grinsend an. Ganz so als wolle er sagen: »Hab ich Dir doch gleich gesagt? Nä?«
»Mmmpf.«

Zufrieden lehnt sich Horst zurück und zählt vergnügt die Schweine in seinem Wimmelbuch. »Irgendwo muss dieser blöde Hund doch stecken. Ich krieg’ dich, duuuu ….«

Ich weiß genau, wo sich dieser Hund versteckt. Was meinst Du: Soll ich Horst einen Tipp geben?

Bilder: Freepik

Hab eine schöne Woche und sei lieb zu deinem Schweinehund!

Anne
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