Achtsamkeits-Yoga oder wieviel Omm is good for me?
Das Leben im Krankenhaus stellt mich vor große Herausforderungen.
„Sauanstrengend,“ jaule ich.
„Laaaangweiiilig!“ behaupten die Kids. Wirklich happy ist hier keiner.
Täglich lesen wir mindestens einen Kinderroman. Damit meine ich natürlich, ich lese und die Mädels lauschen. Es bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig. Die Spiele sind alle gespielt. Nach 5 Wochen leiden wir alle unter einem gemeingefährlichen Krankenhaus-Kater.
Schreiben? Keine Chance. Computer, Handys und Co sind in den Räumlichkeiten der Station verboten. Außer auf dem Zimmer selbst. Aber bei den vielen Terminen, halten wir uns dort kaum auf. Nachts schreibe ich ein paar Sätze auf dem Klo sitzend, um meine Kinder nicht aufzuwecken. Aber es will einfach nicht die richtige Schreibstimmung aufkommen. Komisch, oder?
Das Tippen und Eintauchen in Geschichten fehlt mir mehr, als ich gedacht hätte. Irgendwo muss der ganze Frust hin! Auch meine Stimme versagt mir regelmäßig ihren Dienst: Tonschwankungen zwischen Chewbacca und Pittiplatsch. Mein Fazit: Langfristig Begleitperson im Krankenhaus zu sein, macht krank.
Und deswegen hat sich die Stationsleitung etwas ganz tolles ausgedacht. Ein Goodie sozusagen. Allerdings eines, das man nicht ablehnen darf. Es handelt sich um eine Pflichtveranstaltung für all jene, deren Aufenthalt vier Wochen überschreitet, um die Moral der begleitenden Eltern auf den verschiedenen Stationen zu stärken:
Einmal in der Woche “darf ich” zum Achtsamkeits-Yoga gehen. Meine Kinder werden in dieser einen Stunde behütet. Wie nett, danke!
Nun schreiben wir das Jahr 2022. März 2022. Corona wütet seit Jahren durchs Land. Im Krankenhaus sind alle Personen außer natürlich die Ärzte & Schwestern der potentielle Feind. Kontakt zur Außenwelt oder zu anderen Insassen ist ohne Testung und vorherige Anmeldung nicht gestattet. Wir laufen 7/24 mit Masken auf dem Gesicht herum, um den Aufenthalt in den heiligen Hallen nicht zu gefährden, denn wer Corona anschleppt, fliegt raus. Therapie hin oder her.
Mittwoch. Die Achtsamkeits-Truppe, bestehend aus 20 Elternteilen verschiedener Stationen, trifft sich im Hauptgebäude in einem kleinen Raum. Die Matten werden dicht aneinandergelegt, sonst passen nicht alle hinein. Is’ klar. Kurz nach betreten des Ommmm-Raumes, reißen sich die ersten Personen bereits ihre Maske herunter und atmen laut und röhrend.
Huch? Ähm, Moment mal, war da nicht was? Verdattert bleibe ich am Rande des Geschehens stehen. Nach 5 Wochen Isolation ist das hier ein Schock für mich.
Der Yogalehrer ist ein liebreizendes Persönchen, das herumflaniert und alle Anwesenden dazu animiert möglichst viel zu ommmen. Ihm scheint so sehr die Sonne aus dem A***, dass mir die Augen brennen. Zu meiner Verteidigung: Gude-Laune-Leudde waren rar gesäht in meiner Umgebung in letzter Zeit.
Der Yogi erklärt mir hilfsbereit, Corona sei vorbei – für eben diese eine Stunde. Er tippt sich an den Kopf, reißt seine Augen mit bestätigender Body-Positivity auf und strahlt wie ein kaputter Reaktor. Dann atmet er laut und deutlich, seine Arme zur Seite geschwungen, dass ich Jesus denken muss. Kleine Spuktropfen leuchtem im fahlen Licht der Leuchtstoffröhren auf. Ich weiche zurück. Er tänzelt mir entgegen. Kein Entkommen.
„Is Over! Understand?“
Ungläubig schüttle ich den Kopf, fühle mich einigermaßen sicher hinter meiner Maske.
„Noo, no! Lady. Ommm – breath! No Mask! Is goood for you! Ommm.”
Ich, die ich mich ebenfalls als liebreizendes Persönchen mit zwei entzückenden Töchtern, die die nächsten Wochen besser ohne Corona im Krankenhaus verweilen sollten, entschuldige mich höflichst für das Aufbehalten meines Atemschutzes. Dabei nicke ich und beuge meinen Oberkörper freundlichst nach vorne, wie bei einer japanischen Begrüßung.
„Bitte!”, sage ich. „Es soll doch kein Affront gegen irgendjemanden sein. Bestimmt sind alle gesund und munter, dennoch würde ICH mich wohler MIT MASKE fühlen. Und … ähm. Überhaupt. Es ist ja auch nur eine Sicherheitsmaßnahme, damit die anderen vor MIR sicher sind. ja, genau.”
„Aber No!“ tönt der kleine athletische Yogi und tänzelt wenig dezent um mich herum.
„Mask down – is good for you!“
„Nein, Mask up, is much better for me.” beharre ich und werde ungeduldig.
„Nein.“ (Er kann ja doch deutsch?)
„Doch.“
„Nein!“
„Doch!“
Ihr wisst in welchem Kinderbuch ich gefangen war?
Liebe Menschen, ich habe mich durchgesetzt, das Mäskchen getragen, meine Matte zwei Meter von allen anderen in eine Ecke verfrachtet, ängstlich geatmet und mir geschworen, dieser Zwangsauflage nie wieder beizuwohnen. Die anderen beäugten mich wie einen Alien und schnaubten und pupsten fröhlich im Achtsamkeits-Chor. Wie schön.
Wenn die nächste Ommm-Session ansteht, sneake ich mich raus. Das war a touch to much Achtsamkeit for me, falls du verstehst, was ich meine. Nächste Woche verschwinde ich in den Wald. Vielleicht umarm ich einen Baum, hab ich noch nie gemacht. Scheint mir aber eine sichere Nummer zu sein.
Übrigens: Drei Tage später mussten die ersten Eltern mit Corona-Symptomen ihre Kinder aus der Therapie nehmen und das Krankenhaus verlassen. Mich hat es nicht erwischt.