Horst und die Langeweile

»Du spinnst wohl!«

Wie aus dem Nichts grunzt Horst mir über die Schulter.
»Menno! Schleich dich nicht immer so an! Und wieso spinne ich? Möchtest du etwa von dir behaupten, auf diplomatischen Pfoten durchs Leben zu wandeln?«
»Nein, aber es wäre nett, wenn du das tätest.«
Horst kichert grunzend, klopft dabei seinen dicken Bauch.
»Ähm. Ich bin vieles, Horst, aber NETT?«
Horst nickt eifrig. 
»Doch. Bist du. Zu anderen.« Er wedelt mit der Pfote zur Straße hin.
»Aber hier bin ich zu Hause. « (Okaaayyy. Ich weiß, wie das klingt.) 
»Und das heißt, Du musst hier nicht nett sein?«

»Genau. Hier kann ich ICH sein. Wohlfühlböse, nenne ich das.«

»Dann lass uns rausgehen wir. Dahin, wo du nett bist. So gefälltst du mir gerade besser. Und mir ist eh langweilig.»
»Das ist aber nicht mein Problem.«
»Doch!«
»Nein!«
»Dooohoch!«
»Neeeeiiiin?!«

Horst guckt mich vielsagend an. Seine Monobraue pulsiert. Ich schnaube alle Luft aus meiner Lunge heraus und knicke ein. Horst hat leider recht. Die Gleichung geht nicht auf: Ein Berg voll Arbeit und ein Schweinehund, dem langweilig ist, ergeben sehr wohl ein massives Problem. Für mich. Aber darum kann ich mich derzeit üüüberhaupt nicht kümmern!

»Na schön. Aber nicht jetzt. Ich habe DEADLINEs Horst. Und die muss ich einhalten.«
Horst rümpft den Rüssel.

»Apropro: DEAD-line. Anne! Wusstest Du, dass Langeweile tödlich ist?«

Mir bleibt kurz der Mund offen stehen.
»Ähhhhhcht?«
»Ja, echt. Richtig gehört. Hab ich dir etwa noch nicht von Günther erzählt?«
Ich schüttele den Kopf. »Günther?«
»Ja. Günther. Das ist der Schweinehund der Nachbarin deiner Buchhändlerin. Günther! Klingelt’s bei dir? Der hat sich letzte Woche zu Tode gelangweiligt.«
»Ge-lang-wei-ligt?«
»Jahaaaa!« Er stockt, legt den Kopf schief.
»Ja. Naja. Fast. Aber es war sooo knapp.« Er klatscht seine Vorderpfoten zusammen.
»Tja, das Leben ist sauhart.«, bemerke ich wenig empathisch.
»Du bist zynisch. Das erkenne ich mittlerweile.«
»Ich weiß.« Ich seufze übertrieben laut. »Das ist eine MEINER besten Eigenschaften.«
»Du könntest wenigstens so tun als hättest du etwas übrig für mein Wohlbefinden.«
»Na klar, Horst. Wenn ich heute Nacht irgendwann mit meinem Job fertig bin, gründe ich eine Selbsthilfegruppe für gelangweilte Schweinehunde. Mit denen kannst du dich dann treffen.«

Horst läuft dunkelpink an. Seine Augen schwimmen, die Stimme bricht.
»Das … das würdest … tun? Für mich?«
Entgeistert starre ich ihn an. »Öhhmmm.«
Horst legt seinen Kopf auf meine Schulter und reibt den schnoddrigen Rüssel an meinem Hals.
»Da-nke.«, säuselt er mir ins Ohr. Wahrhaftig gerührt!

 Uff. Aus der Nummer komm ich nicht mehr raus. Oder?

Hab einen schönen Tag und sei lieb zu dir und deinem Schweinehund.

Anne
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Horst und der Welttoilettentag