Horst und der Welttoilettentag

Die Illustration von Horst stammt von Arabell Watzlawik

Welttoilettentag. Das muss man sich erstmal auf der Zungezergehen lassen.
Eigentlich müsste ich an diesem hochheiligen Feiertag freihaben. Einen Welttoilettentag gibt es schließlich nur einmal im Jahr! So wie Weihnachten. Oder Ostern. Oder mein Geburtstag. Feiertage, die nur einmal im Jahr zelebriert werden, habe ich frei. Das kann ich so bestimmen, weil ich nicht mehr zur Schule gehe und einem selbständigen Dasein fröhne. Dabei fällt mir ein, dass Toiletten an ihrem Geburtstag, dem Welttoilettentag, nie frei haben, außer ihre Herrchen und Frauchen sind im Urlaub. Das ist irgendwie ungerecht.

Dieses Jahr am Welttoilettentag explodieren die Krisenherde um uns herum, eine katastrophale Schwemme rechter Gesinnung breitet sich in unserem Land aus und ich finde, das sind alles brisantere Themen als der besagte Klogeburtstag. Aber darum geht’s heute trotzdem nicht. Denn wir müssen die Feierlichkeiten vorbereiten. Die Schule meiner Kinder würdigt diesen bedeutungsvollen Tag nämlich mit …

 „Wie wär’s mit einer …“
»HORST! Ich rede. Fall mir nicht ständig ins Wort und hör endlich auf mit deiner
Schweineminute! Die brauchen die Kinder nun wirklich nicht.«
Horst und ich funkeln uns an. Er dreht sich beleidigt weg. Eine Schweineminute anstelle einer Schweigeminute – ganz sein Humor. Ich seufzte tief.

»Wo war ich doch gleich? Ach ja: Die Schule. Sie würdigt diesen Tag mit dem Besuch eines Hygiene-Experten.« Horst hat damit irgendein tierisches Problem, rückt aber nicht raus mit der Sprache. Und das, obwohl ihm sein kleines Schweinehundherz doch sonst auf der Zunge liegt.

»Bla bla bla.«, fällt er mir ins Wort.
«Was hast du gegen Hygiene, Horst?«
»Ich hab nichts gegen Hygiene! Üüüüberhaupt garrrr nichts. Ich bin der sauberste Schweinehund auf der ganzen Welt. Von meinem Bauch kann man essen! Und von meinem Hintern – auch! Und genau deswegen wäre ich viiiiiel besser geeignet, den Kindern in der Schule, Hygiene näher zu bringen. Warum fragen die MICH nicht?«
»Über das von-Bäuchen-essen?« Angewidert verziehe ich mein Gesicht. Trotz Ironie in meiner Stimme, nimmt Horst meinen Einwand ernst.
»Neihein. Über Sauberkeit. Aber die holen sich einen teuren Hygiene-Heini. Und der macht Bla. Bla. Bla. Und keiner wird zuhören. So sieht’s doch aus – jawoll!«

»Ach, das wird bestimmt ganz lustig. Über Toiletten reden ist bestimmt genauso witzig wie über Pupse, nicht?«

»Genau. Zum Totlachen!«, behauptet Horst bierernst.
»Aber bei dem Hygiene-Experte hört kein Kind zu. Wenn der seinen Sermon über Bakterien und so ablässt, schlafen alle ein. Zzzzzz. Und hinterher haben wir wieder die Sauerei.«
»Welche ….?» Ich verstumme. Und erinnere mich schlagartig an die Sauerei, auf die Horst anspielt. Letztes Jahr haben einige Kinder in der Schule sehr ausgiebig mit ihrer Scheiße gespielt und erste Buchstaben mit ihren „Ergüssen” an die Wände gemalt. Das war keine der Kloverschönerungen, bei der Hygienevorschriften im Vordergrund standen. Das arme Reinigungspersonal!

»Bööääärrggghh.«
Horst und ich würgen. Das Bild der sanitären Anlagen an jenem denkwürdigen Tag, werde ich wohl nie wieder vergessen.
»Ach Horst, vielleicht ist es ganz gut, dass sie einen Hygiene-Expertenfuzzi am Start haben, meinst Du nicht?« Aber Horst ist noch immer wie versteinert. Der angewiderte Gesichtsausdruck steht ihm irgendwie. In Zeitlupe nickt er.

»Alles gut bei dir, Horst?« Er erwacht aus seiner Scheiße-Starre und kehrt sogleich zurück zum Thema. Nicht lang schnacken, so kenne ich ihn.
»Ich mein ja nur. Mit etwas Humor, könnte man der Sache einen lustigeren Anstrich verleihen. Und alle erinnern sich später an die Witze und bleiben sauber.«
»Das ist dein Problem? Echt jetzt? Dass der Experte die Kacke zu langweilig rüberbringt?«
Horst nickt. Und weil ich nicht sofort reagiere, versucht er mich zu überzeugen.
»Etwas Pipi-Kacka-Humor zieht immer. Sogar bei den Großen.«

Er räkelt sich auf meinem Schreibtischstuhl herum, der – zugegeben – wahnsinnig gemütlich ist. Dann ertönt ein langezogenes Donnern.

Und ich verschlucke mich beinahe an meinem Kaffee. »Dein ERNST? Hast Du gerade gefurzt? Mit deinem blanken Hintern auf MEINEM STUHL?« Horst nickt. Auf seinem Gesicht breitet sich ein süffisantes Grinsen aus. Das ist ansteckend und ich kann nicht anders und muss auch lachen.
»Siehst Du? Ich bin sicher, Anne, DARAN würde sich jedes Kind erinnern.«
Es hätte mir klar sein sollen, dass der liebe Horst sogar Schweinehund-Abgase in seine Argumentationskette mit einbaut.
»Absolut Horst. Das vergisst niemand. Fragt sich nur, ob der Teil mit der Hygiene damit ausreichend behandelt wurde … du Experte.«
Mit dem Gedanken lass ich Horst allein. Ich habe das dringende Bedürfnis, meinen Schreibtischstuhl zu säubern, bevor ich zur Arbeit schreite. … Mich setze. Ach, du weißt schon.

Bevor ich es vergesse: Es gibt ganz hervorragende Kinderbücher zum Thema Verdauung. Ein paar unserer long time Favorites möchte ich dir nicht vorenthalten.

»Hej. Lass mich das erzählen, ich habe die auch alle gelesen!« Horst schubst mich mit seinem Hintern zur Seite und legt voll Eifer los. Den Blick stur auf eine imaginäre Kamera gerichtet.
»Also. Als unsere Kinder noch klein waren, haben wir ständig die Kackwurstfabrik gelesen. Seeeehr lustig und informativ.« Er guckt mich an und klimpert mit Schweinsäuglein.
»DAMIT könnte ich in der Schule auf jeden Fall punkten!«

Ich nicke spöttisch. »UNSERE Kinder?«
»Jetzt sei nicht so kleinlich. Deine. Meine. Unsere. Das sind doch alles nur bürgerliche Kategorien!« (Grüße gehen raus an Marc-Uwe Kling. Ich fürchte Horst hat mit seinem Känguruh Freundschaft geschlossen.)
Er räuspert sich künstlich.
»Ein weiterer Dauerbrenner war: Erste Stunde Furzkunde – ganz fantastisch. Auch dabei habe ich seeehr genau aufgepasst!«
»Das glaube ich dir sofort.«, murmele ich. Horst bringt mich mit dem einseitigen Anheben seiner Monobraue zum Schweigen.
»Das große Kackaturnier? Und natürlich: Der Maulwurf, dem auf den …« Ich hebe die Hand. Genug der Verdauungs-Literatur.
»Kennen wir alle, Horst. Jaaa, war alles lustig und niedlich, als die kleinen Pupsis noch auf dem Töpfchen saßen und sich Kackwürste aus den Büchern gezeigt haben, während sie selbst welche produzierten. Lange her. », winke ich ab.
»Naja, niedlich.« Horst rümpft die Schnauze. »Mir fallen noch folgende Büch …«
»Schon gut. Es reicht jetzt an Kacka-Lektüre, Horst. Das ist MEIN Blog.«

Aber Horst ist voll in Fahrt. Schlimmer Fall von Verbal-Diarrhoe.
»Alle müssen auf’s K …«

»Schluss! Horst! Du erkennst eine Toilette doch nur, wenn ich draufsitze und versuche, meine Ruhe zu haben.«

Das trifft es den Nagel auf den Kopf. Wir sind nämlich ein Ein-Toiletten-Haushalt. Das stille Örtchen bleibt selten still, da es bei uns ein heiß begehrter Ort ist. Hier wird jeder genervt, der sich zu lange niederlässt. Meine Töchter lesen sich auf dem Klo Geschichten vor. Schmutzige Witze werden erzählt und ausführliche Berichte des Tages abgelegt. Zähne geputzt, Haare gekämmt und Nachrichten ins Telefin getippt. Und am Abend dehnen die Mädels jede Sekunde ins unendliche, um nur einen Tick später ins Bett gehen zu dürfen. Ist das bei dir auch so?

Kein Wunder, dass Schweinehund Horst, der das Glück hat, sich ohne Klogang erleichtern zu können, vor Neid ganz rosa wird.
Im Moment lesen wir übrigens die Haferhorde (Selbst gekauft, also unbezahlte Werbung!) Wenn Keks, das Pony, pupst, kichern und mundpupsen meine Töchter und ich fleißig mit. Der vierte Band endet übrigens mit den Worten:
»Hab Dich gleich! PUUUPS! PUUUUPS!«

Und ich weiß jetzt schon, dass wir alle lachen werden.

Ach, bevor ich das Wichtigste vergesse: Das war alles unbezahlte Werbung. Jedes der aufgeführten Kinderbücher haben wir selbst gekauft und gelesen. Und für wunderbar befunden. Also: Viel Spaß damit!

Hab einen schönen Tag und liebe Grüße an dich und deinen Schweinehund!

Anne
Weiter
Weiter

Horst und die Langeweile